Interview mit dem Hansenmeister Helmut Kwiczorowski und seinem Stellvertreter Hubertus Jacoby
Anlässlich eines Besuches auf der Burg Rheinfels habe ich zufällig Herrn Kwiczorowski kennengelernt. Er erzählte mir bei dem Gespräch, dass auf der Burg Rheinfels der Hauptsitz des „Internationalen Hansenorden“ ist. Ich fand die Erzählungen über den Orden so interessant, dass ich mich mit ihm erneut getroffen habe, um von ihm und seinem Stellvertreter, Hubertus Jacoby, mehr über den Hansenorden zu erfahren. Nachfolgend das Gespräch mit den Beiden:
Der “Hansen-Orden” klingt nach der “Hanse”, der Vereinigung deutscher Kaufleute zwischen dem 12. Jahrhundert und dem 17. Jahrhundert. Ist der “Hansen-Orden” denn ein weniger bekannter Zweig, der “Hanse”?
Nein, der Hansenorden hat nichts mit der Hanse zu tun. Ernst Helmut Wulle (verstorben) hat anlässlich der Eröffnung des Hansenfestes 2013 in seinem Festvortrag die wesentlichen Unterschiede beschrieben: „Die Hansen unterscheiden sich deutlich von der Hanse. Die Hanseaten werden im Allgemeinen in eine Welt hineingeboren und haben darin zu leben. Ein typisches Merkmal der Hanseaten ist der Auf- und Abstieg des Ansehens der hanseatischen Familien. Die Hansen unterscheiden sich hier deutlich von den Hanseaten. Die Hansen sind eine freiwillige Ordensgemeinschaft, sie streben nicht nach Profit, stehen nicht im Wettstreit oder gar Wettkampf mit anderen, sondern sie verschreiben sich ihrer selbstgestellten Aufgabe. Auch ein Niedergang ist schwerlich vorstellbar, da sich jeder Hanse zur gegenseitigen Hilfe bekannt hat“.
Auch im wirtschaftlichen Bereich sind Unterschiede vorhanden. Der Hanseat wird hochgepriesen und gerühmt, ob seines Wagemutes und seiner Risikobereitschaft. Der Hansen geht in seiner Ordensgemeinschaft kein Risiko ein, er wägt eher ab und gibt nicht mehr Geld aus, als er hat.
Wieso ist der “Hansen Orden” gerade in St. Goar angesiedelt?
St. Goar war neben Emmrich und Köln die 3. Hansenstadt am Rhein. Sie war auch ein sogenannter „Stapelplatz“, das heißt, die Fracht musste von großen Schiffen auf kleinere umgeladen werden, da der Rhein nur bis St. Goar schiffbar war. Die Waren mussten also „getreidelt“ werden, das heißt flussaufwärts mittels Pferden oder Menschen auf den Leinpfaden gezogen werden. „Stapelplätze“ waren auch sehr wohlhabende Städte, denn für die Leistungen wurden nicht nur Gebühren, sondern auch Steuern erhoben. Die Hansen in St. Goar waren seinerzeit für das mächtige Adelsgeschlecht der Grafen von Katzenelnbogen tätig. Jeder Händler in St. Goar musste Mitglied im Hansenorden sein, der sich u.a. auch auf einheitliche Maßeinheiten verständigte, gab es doch im Großherzogtum Hessen 129 Fruchtmaße (Getreide und Fruchtmaß), 40 Ellen (Längenmaß)- und 77 Ohmmaße ( Flüssigkeitsmaß). „Stapelplätze“ waren auch immer sehr wohlhabend, ein Grund, weshalb es am Rhein so viele Burgen und Klöster gibt.
Welches Vereinsziel verfolgt denn der “Hansen Orden”?
Das Vereinsziel des „Internationalen Hansenorden e.V. zu St. Goar am Rhein“ ist der Ausbau und Erhalt der Burg Rheinfels, Erforschung der heimatlichen Geschichte, Archivierung und die Pflege der internationalen Freundschaft. Es können auch neue Kommende (Niederlassungen) gegründet werden, beispielsweise steht eine Neugründung in Kürze an.
Es gibt die „Kommenden“ Arizona (USA), Niederrhein, Oberbayern, und Waldstätten(CH). Pflicht eines jeden Hansen ist die Pflege der Freundschaft mit den Brüdern auf der ganzen Welt.
Wieviele Mitglieder hat denn der “Hansenorden” heute?
Es gibt ca. 340 Mitglieder, ausschließlich Männer im Hansenorden.
Welche Aufnahmekriterien muss man erfüllen, wenn man Mitglied werden möchte?
Man muss volljährig sein, einen guten Leumund vorweisen und 2 Bürgen haben. Der Ordensrat entscheidet über die Aufnahme. In einer Anhörung werden die Bürgen über den „Fremdling“ befragt und müssen Auskunft geben. Die „Beisteuer“ (Jahresbeitrag) beträgt 80.-€
Welche Organe hat der Hansenorden?
Der Ordensrat (max. 15 Mitglieder) besteht aus:
Hansenmeister (auch Schultheiß genannt)
2 Stellvertretern
Zeremonienmeister
Säckelmeister
Scriba
Kustos
Zeugmeister
Gewandwart
Schriftleiter
4 Beisitzern
Der Senat (einem Aufsichtsrat ähnlich) besteht aus
Ordensrat
Komturen (Vorsitzender) der Kommenden (Niederlassungen)
Dem regierenden Bürgermeister von St. Goar
Der Ehrenrat
(ausgewählte und vom Hansenmeister ernannte Mitglieder)
hat die Funktion eines Schlichters
Der Hansenmeister und seine beiden Stellvertreter werden auf die Dauer von 5 Jahren gewählt. Die Wahl findet auf dem Konvent samstags vor dem Hansenfest (1. Augustwochenende) statt, auf dem der Hansenmeister und der Ordensrat auch ihren Rechenschaftsbericht abgeben. Der Hansenmeister beruft dann den Ordensrat.
Die “Taufe”, also die Aufnahme eines neuen Mitgliedes in den “Hansen Orden”, hat ja einen besonderen Ritus. Können Sie uns bitte die Zeremonie erklären?
Man wird entweder mit Wein oder Wasser getauft. Welches Mittel genommen wird, entscheidet nicht der Fremdling, sondern der Hansenmeister. Wird der Fremdling mit Wasser getauft (Taufspruch: Wohl feil Dir), muss er im ersten Jahr keine „Beisteuer“(Mitgliedsbeitrag) entrichten.
Bei der Taufe mittels Wein muss der Säckelmeister nach Prüpfung den Anwesenden mitteilen „Beisteuer entrichtet“. Der Taufspruch lautet in diesem Fall „Wein kostet Dein Geld“. Im Gegensatz zur Taufe mit Wasser, bei der der Fremdling mit Wasser übergossen wird, muß der Täufling bei der Taufe mittels Wein, diesen nur aus dem Hansenbecher trinken. Spektakulärer ist natürlich die Taufe durch Wasser. Die Taufe findet immer in der Stadt St. Goar statt,entweder auf dem Görtzplatz, oder im Großen Keller auf Burg Rheinfels oder auf dem Hansenplatz in der Stadt. Die Feierliche Zeremoni ist für Jedermann zugänglich.
Was hat es denn mit dem „Bolotai“ auf sich?
Das “Bolotai“ ist ein Erkennungszeichen und Schmuck der Hansenbrüder. Es ist aus Silber und wird in Arizona von Indianern gefertigt.
Welche Bedeutung hat denn der „Hansenbecher“ für Ihre Vereinigung?
Das Wahrzeichen des „Internationalen Hansenorden e.V. zu St. Goar am Rhein“ ist der Hansenbecher. In früheren Zeiten wird von 3 wertvollen Silberbechern berichtet. Der Becher als Symbol der Gastfreundschaft und des herzlichen Willkommens verbindet alle Hansenbrüder auf der Welt untereinander und wird als äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zum Hansenorden in Form einer Anstecknadel von den Hansenbrüdern getragen.
Heute trägt der Hansenmeister bei allen offiziellen Anlässen neben seiner Amtskette den Hansenbecher als Zeichen seines Amtes.
Der erste Becher wurde von Kaiser Karl dem Großen aus Dankbarkeit anlässlich der Versöhnung seiner beiden Söhne Karl und Pippin in der Goars-Kapelle gestiftet. 1870 wurde dieser Becher noch im Gasthof „Zur Lilie“ aufbewahrt. Nach dem Krieg wurde der Becher im Museum der Stadt auf Burg Rheinfels ausgestellt, und dort von einem französischem Kunstdieb gestohlen, der den Becher zusammen mit anderen Kunstgegenständen in der Loire versenkt hat. Der Deckel des Hansenbechers wurde bei Ausgrabungen in Frankreich wiedergefunden und wird seitdem im Tresor des Ordens auf der Burg Rheinfels aufbewahrt
Wo tagt denn der “Hansen Orden”?
Der Hansenorden tagt im Hansensaal in der Burg Rheinfels
Das jährlich am 1. Augustwochenende stattfindende “Hansen Fest” ist ja weit über die Grenzen von St. Goar bekannt. Können Sie uns bitte etwas über den Hintergrund und den Ablauf des Festwochenendes sagen?
An diesem Wochenende findet die Jahreshauptversammlung statt, Fremdlinge werden getauft und die Hansenbrüder aus aller Welt treffen sich auf der Burg Rheinfels und in St. Goar.
Die Festtage beginnen mittwochs mit der feierlichen Fahnenhissung, bei der zum Zeichen der Hissung 3 Böllerschüsse abgegeben werden.
Der Hansenmeister begrüßt die Festteilnehmer, anschließend findet in der Burg Rheinfels ein öffentlicher Festvortrag statt, dessen Thema durch den Hansenmeister und den Kustos festgelegt wird.
Donnerstag:
es werden die bevorstehenden Festtage vorbereitet.
Freitag:
es findet im Rathaus in St. Goar die Senatssitzung statt. Anschließend wird auf dem Friedhof in St. Goar der Verstorbenen gedacht, abends findet auf der Burg Rheinfels ein geselliger Abend für Jedermann mit Livemusik statt.
Samstag:
Empfang der Fremdlinge und auswärtigen Hansenbrüdern beim Bürgermeister in St. Goar.
Anschließend Schifffahrt zur Pfalzgrafenstein bei Kaub.
15.00h Großer Ordenskonvent auf der Burg Rheinfels.
Abends Tanz im Burghof für Jedermann.
Sonntag:
10.00h Ökumenischer Gottesdienst im „Großen Keller“ (Größter Gewölbekeller Europas) auf Burg Rheinfels
12.00h Altbierempfang der Kommende „Niederrhein“ für Hansenbrüder auf dem Marktplatz
14.00h Festumzug der Hansen und Kommenden in St. Goar und Empfang des Hansenmeisters mit Böllerschüssen
17.30h
Der Zeremonienmeister führt die Fremdlinge auf Burg Rheinfels zum Görtzplatz und stellt sie mit Hexametern dem Publikum vor. Ein Hexameter lautete beispielsweise:
„Aus dem Siegburger Lande tritt Dr. Schnickmann, Wolfgang vor den Meister der Hansen, bastelt und bohrt er an den Zähnen der Männlein und Weiblein, zu heilen die Schäden allhier und zu füllen die Lücken, die entstehen bei jedem Kauen und Beißen im Alltag“
19.00h Tanz im Burghof
Was ist denn für 2017 geplant?
Das Hansenfest findet am 5. August und 6. August 2017 statt, das Programm wird auf der Hansen Orden- Seite sowie in den Medien veröffentlicht.
Lieber Herr Kwiczorowski , herzlichen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg für die nächsten Jahre.
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